30 Jahre nach dem Fall der Mauer: Quo vadis?
Das Kunstwerk Quo vadis? - ein Originaltrabbi, den der tschechische Künstler David Černý auf vier menschliche Beine gestellt hat - befindet sich normalerweise im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig, das zur Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gehört.
Das Kunstwerk ist durch den Bronzeabguss, der seit Herbst 2001 im Garten der Deutschen Botschaft in Prag steht, weltberühmt geworden und hat sich zu einem regelrechten Anziehungspunkt für Kunstliebhaber entwickelt.
Am 7. November 2019 wird die Skulptur am Walter-Benjamin-Platz in Berlin temporär aufgestellt. Die Feier beginnt um 17 Uhr in Anwesenheit des Künstlers David Černý. Unter den zahlreichen Veranstaltungen zum historischen Ereignis des Mauerfalls vor 30 Jahren, ist dieses Kunstereignis eine der wenigen Feierlichkeiten, die im Westen Berlins stattfinden.
Dass das Originalwerk Quo vadis? von David Černý an diesem denkwürdigen Tag in Berlin wieder einen Platz im öffentlichen Raum erhält, ist zwei Menschen zu verdanken: Ideengeber und Realisator Karl-Friedrich Krause, Inhaber der Galerie Art Affair in Regensburg und Hagen Kahmann, Geschäftsführer der KAURI CAB Group mit Sitz in Berlin, in dem der Galerist einen großzügigen Unterstützer fand.
Die Aufstellung von Quo vadis? ist ein intelligentes Statement zur erhitzten gesellschaftlichen Debatte, zur aktuellen politischen Situation und zur Aneignung von Räumen.
1989: Friedliche Revolution und Freiheit in Europa
Der Bildhauer David Černý reagierte 1990 mit diesem Kunstwerk auf die dramatischen Ereignisse im Sommer 1989, als sich jeden Tag eine hohe Anzahl von DDR-Bürgern Zutritt zur Deutschen Botschaft in Prag verschaffte, um sich von dort ihre Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland zu erkämpfen. Viele Trabants und Wartburgs blieben verwaist in den Straßen Prags zurück. David Černý schnappte sich einen der Trabbis und stellte die künstlerische Frage Quo vadis? – Wohin geht die Reise? Er stellte das Kunstwerk 1990 in Prag erstmals in den öffentlichen Raum.
2019: Nationalismus und antidemokratische Kräfte in Europa
Mit diesem Akt am 7. November 2019 am Walter-Benjamin-Platz in Berlin schließen sich mehrere Kreise: Es wird all derer gedacht, die über Grenze aus der DDR flüchten konnten, denen der Weg in die Freiheit gelungen ist. Es wird des Weges gedacht, den die beiden deutschen Staaten und die Menschen seit dem Tag des Mauerfalls gemeinsam in einer freiheitlichen Grundordnung gegangen sind. Doch wird auch die damals gestellte Frage Quo vadis? erneut in den öffentlichen Raum gestellt: Wohin wollen wir uns als Individuen, als Gesellschaft in Europa entwickeln? Wie und wo ziehen wir unsere Grenzen heute?
Beiden Unternehmern ist es wichtig, den Fall der Berliner Mauer als gesamtdeutsches Ereignis mit Auswirkungen auf ganz Europa zu würdigen. Daher wurde bewusst auch der Walter-Benjamin-Platz als temporärer Standort gewählt. Walter Benjamin, linker Intellektueller und Jude nahm sich 1940 auf der Flucht vor den Nazis an der französisch -spanischen Grenze das Leben. Die architektonische Neugestaltung dieses Platzes durch Hans Kollhoff war in den 1990er Jahren heftig diskutiert worden. Die Kritik an den Reminiszenzen der Platzes an die Ästhetik des Nationalsozialismus ist bis heute nicht verstummt.
Der Chefredakteur der renommierten Architekturzeitschrift Arch+, bezeichnet die Platzgestaltung und das Pound-Zitat längsseits der Leibnizkolonaden 2019 als explizit antisemitischen Kulminationspunkt einer implizit rechten retrospektiven Architektur Berliner Machart.
Die Kraft der Kunst der Provokation
David Černý (*1967 in Prag) versteht die Kunst der Provokation. Provokation, die Gedanken in Bewegung bringt, statt Fronten zu verhärten. Der Künstler nimmt für seine Überzeugungen und Äußerungen auch einiges in Kauf. Gefänfnis zum Beispiel. 1991, als er in Prag einen Panzer, der Denkmal für die Befreiung durch dir Rote Armee steht, rosarot anmalte. In seiner Heimatstadt hat David Černý bisher 14 Großskulpturen und Installationen aufgestellt: Entropa, Piss, Head of Kafka, London Booster.
Hagen Kahmann ist Investor und Entwickler großer Wohnprojekte in Berlin / Brandenburg. Er fördert viele kulturelle Projekte der Stadt Berlin, u.a. den Nachwuchspreis des Deutschen Schauspielpreises oder den „Kornversuchsspeicher“ in Berlin.
Karl-Friedrich Krause gründete 2005 die Galerie Art Affair in Regensburg. Auf 170 qm Ausstellungsfläche in gotischen Räumen präsentiert er zeitgenössische Kunst. Leitgedanke der Galerie Art Affair ist, aus der Vielfalt der Kunst von Heute Besonderes zu zeigen und regionale Tendenzen in den internationalen Kontext zu stellen.